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Banholzer, Paula
Jugendliebe von Bert Brecht und Mutter seines Sohnes Frank Banholzer.
Leben und Wirken
Geboren wurde Paula Banholzer am 6. August 1901 in Markt Wald?, das in Oberschwaben, heute Landkreis Unterallgäu, liegt. Dort wuchs die Tochter des Arztes Karl Banholzer, der in Augsburg ein bekannter praktischer Arzt für Beinleiden war, auch auf, bis sie ihr Vater nach Augsburg an die Höhere Mädchenschule, das heutige Maria-Theresia-Gymnasium? schickte. 1916 zog die Familie Banholzer in die Augsburger Innenstadt?.
Paula Banholzer war 16 Jahre alt, als sie Bert Brecht im Frühjahr 1917 kennen lernte. Möglicherweise ist er ihr auf dem Schulweg begegnet. Zunächst hielt sich Paula Banholzer, die von Brecht "Bi" für "Bittersüß" oder "Bittersweet" genannt wurde, zurück, denn sie sah schnell, dass Brecht noch andere Liebeleien hatte. Zu dem Namen "Bittersüß" kam sie, weil sie sich nicht immer von Brecht küssen ließ. Den Ursprung des Wortes findet man bei Nietzsche. Bei ihm sagt Zarathustra: "Allzusüße Früchte - die mag der Krieger nicht. Darum mag er das Weib; bitter ist auch noch das süßeste Weib."
Erste Verabredungen fanden in den Lechauen und in "Gablers Taverne" statt. Im Frühjahr 1918 wurde die Beziehung immer enger. Brecht ging in seiner Liebe auf und schrieb von seiner "Gazelle", seiner "Angebeteten" und seiner "geliebten Paula", während er ab gleichzeitig Termine mit anderen "Flammen" in Augsburg und München koordinierte. Schon 1916 hatte es Brecht auf Paula Banholzers Freundin Maria Rosa Amann abgesehen. Eine andere "Flamme" dieser Zeit war auch Therese Ostheimer, bei der er aber keinen Erfolg hatte. Im Sommer 1918 machte Paula Banholzer ihren Schulabschluss und wenige Tage später verbrachte sie mit Bert Brecht heimlich einen Kurzurlaub am Starnberger See?. Kurz zuvor erst hatte Brecht seinem Freund Caspar Neher von seinem Erfolg bei Paula berichtet.
Es scheint so gewesen zu sein, dass Brecht Paula Banholzer heftig umwarb und sie sich ihm schließlich ergab, obwohl Brecht rein äußerlich nicht dem Idealbild eines Mannes entsprach, den sie sich vorstellte. Wahrscheinlich erlag Paula Banholzer der Faszination des überlegenen Intellekts und Selbstbewusstseins. Schon im Winter 1918/19 wurde sie von ihm schwanger, was Brecht dazu brachte ihr einen Heiratsantrag zu machen, der aber von Banholzers Vater abgelehnt wurde, weil der argwöhnisch auf Brechts Schriftstellerei blickte. Im Übrigen war aber Brechts Leidenschaft Paula Banholzer gegenüber schon wieder am Abflauen. Frank Banholzer, der gemeinsame Sohn von Paula Banholzer und Bert Brecht wurde im Juli 1919 in Kimratshofen? (heute Landkreis Oberallgäu) geboren, starb aber schon 1943 als Soldat bei einem Sprengstoffanschlag an der Ostfront. Paula Banholzer hatte ihren Sohn auf dem Land zur Welt gebracht, um sich ihre Reputation in Augsburg zu wahren. In Kimratshofen? blieb sie noch eine geraume Zeit.
Die deutsche Wikipedia vermutet, dass die Geburt des unehelichen Kindes Einfluss auf das unvollendet gebliebene Brecht-Werk „Die Bälge oder Die Sonne bringt es an den Tag“ (1920) hatte, denn darin geht es um die Thematik ungewollter Schwangerschaft und die damalige Diskussion um eine Reform des § 218 StGB.
1920, als Bert Brecht an den Münchener Kammerspielen Dramatiker geworden war, verlebten die beiden in dem Theater- und Künstlermilieu Münchens zusammen noch eine gute Zeit, trotz eines Verhältnisses Brechts mit der Medizinstudentin Hedda Kuhn. Immer deutlicher wird ein Charakterzug Brechts, den Paula Banholzer nicht duldete: Obwohl Brecht immer neue Bekanntschaften anknüpfte, war er nicht bereit oder in der Lage alte abzuschließen. So wob er ein immer dichteres Beziehungsgeflecht, das ihn viel Zeit und Energie kostete.
Paula Banholzer nahm 1921 in Nürnberg eine Erzieherinnenstelle an und entfernte sich damit nicht nur räumlich von Bert Brecht. Noch 1922, als Brecht selbst vor der Heirat mit Marianne Zoff? stand, die mit einer Tochter von ihm schwanger war, versuchte er, Paula Banholzer an sich zu binden. Angeblich, so Brecht zu Banholzer, werde die Ehe mit Marianne Zoff? nur per forma geschlossen und nach der Niederkunft der Schwangeren wieder geschieden, damit er endlich sie, Paula Banholzer, heiraten könne. Im Februar 1924 hörte Brecht, dass sie den Augsburger Kaufmann Hermann Groß heiraten wolle. Damals war Brecht schon mit Marianne Zoff? verheiratet, schickte aber dennoch Helene Weigel? nach Augsburg, um Paula Banholzer nach Berlin zu bringen, was ihr aber nicht gelang. Paula Banholzer heiratete Hermann Gross und hatte später eine gesicherte Existenz bei dem Kaufmann, dem sie zwei Söhne schenkte.
In einem Interview soll Paula Banholzer einmal gesagt haben, dass sie sich an Brechts Seite immer zweitklassig empfunden habe, und er auch keinen Versuch unternommen hätte, ihr dieses Gefühl zu nehmen. Möglicherweise ist diese Erinnerung aus dem Gefühl der enttäuschten alten Frau erwachsen, die weit weg vom Genie Brechts ein mittelmäßiges Leben geführt hat. Allerdings hat Brecht in der Tat einmal den Empfang eines Fotos von Paula Banholzer mit den Worten bestätigt: "Ich danke dir für die Photographie, auf der Du so schön dumm aussiehst."
1981 äußert sich Paula Banholzer in einem Buch selbst über ihre Beziehung zu Brecht. Das Werk heißt "So viel wie eine Liebe - der unbekannte Brecht. Erinnerungen und Gespräche. Hrsg. von Axel Poldner u. Willibald Eser, München : Universitas, 1981. 238 Seiten.
Paula Banholzer starb 1989 in Augsburg.
Bedeutung
Anders als andere Freundinnen von Bert Brecht nahm Paula Banholzer gelegentlich an den Unternehmungen des Freundeskreises von Brecht in Augsburg teil. Brechts Briefe und Tagebücher zeigen, dass er sie sehr liebte, aber auch voller Eifersucht war, etwa als er von ihrem harmlosen Briefwechsel mit einem anderen Mann erfuhr. Er forderte Gehorsam von ihr und beschimpfte sie als "Dirne", wenn sie sich, was selten genug der Fall war, ihm widersetzte. Ihr widmete er "Trommeln in der Nacht" und der Einakter "Er treibt einen Teufel aus" ist nicht ohne die Kimratshofener Schwangerschaft und Geburt denkbar. "Bidi in Peking", eines der letzten Brechtschen Liebesgedichte (1953) behandelt noch ihr Verhältnis:
"Bidi in Peking,
Im Allgäu Bi,
Guten sagt er,
Morgen, sagt sie."
Vielleicht hat die als sympathisch unintellektuell beschriebene Frau Brecht, der immer sehr große Pläne hatte und groß darüber sprach, in einer bestimmten Phase seines Lebens die notwendige Erdung gegeben. Der Kontakt zwischen den beiden Liebenden riss nach der Heirat Paula Banholzers ab und wurde auch nach der Rückkehr Brechts aus dem Exil nicht wieder angeknüpft. Paula Banholzer spielte in Brechts Leben wohl eine ganz besondere Rolle. Helene Weigel? sagte einmal: "Brecht hat viele Frauen gehabt, geliebt hat er aber nur die Bi."
Weil nur wenige überlieferte Schriften aus der frühesten Zeit Brechts als Schriftsteller erhalten sind, kommt den Briefen an Bi eine besondere Bedeutung zu. Ein Auszug: "Einsam bin ich wie die weinenden Rosse des Achilles, oh Du liebliche Rose blühend im mondlichten Tal der Verläumdung, wo es so unheimlich hell ist! Siehe, ich grüße Dich, Du Futter meiner Bandwurmsätze, Du Sphinx meines Mondscheinnachtskahnfahrtentraumwahnsinns, Du funkelnder Hohlspiegel des Nirwana, stolze, kluge Perlenfischerin im Meer dieses Unsinns, schmücke Dich mit den Perlen, kleine Ingeborg Brennessel!" Oder auch dieser: "Geliebte Paula! Angebetete! Erlaube Deiner Majestät unterthänigster Kreatur, Dir seine ehrfurchtsvollsten Unterwürfigkeiten vor die zarten Füßchen zu legen. Er hat sonst wenig zu tun."
Veröffentlicht sind die Briefe von der Augsburger Brecht-Forschungsstätte?: Helmut Gier/Jürgen Hillesheim, Liebste Bi - Briefe an Paula Banholzer / Bertolt Brecht. Augsburg 1992.
Sonstiges
Zur Eröffnung des Brechtfestivals? 2010 wurde der 90-minütige Film "Bi und Bidi in Augsburg" von Heinrich Breloer vorgestellt. Schon 1976/77 hat der mehrfache Grimme-Preisträger in Augsburg zu diesem Thema recherchiert und zehn Zeitzeugen, auch Paula Banholzer selbst, befragt. In diesem Film erzählt Paula Banholzer, dass Brecht ihr zum ersten Mal in einem Münchener Hotelzimmer näherkommt, zu ihr ins Bett schlüpfte, sie aber die ganze Nacht nicht anfasst, sondern sie stattdessen sacht und sanft aufklärt. "Ich glaube nicht, dass viele so gut aufgeklärt worden sind wie ich", meint sie im Film dazu.
2010 wird das Musiclett "Jetzt ist er tot, der Hund!" im S´Ensemble uraufgeführt. Die Musik stammt von Stefanie Schlesinger und Wolfgang Lackerschmid, die Liedtexte von Peter Dempf. Regie führt Sebastian Seidel. Als Paula Banholzers Mann, der Kaufmann Hermann Groß, die Nachricht vom Tod Bert Brechts las, soll er gesagt haben: "Jetzt ist er tot, der Hund!" Im gleichnamigen Musiclett begibt sich Paula Banholzer, einstige Geliebte Brechts und Mutter des gemeinsamen Sohnes Frank, in ihre Vergangenheit zurück und erklärt Hermann Groß, warum sie in den jungen Brecht verliebt war, was sie an ihm schätzte und abstieß und warum sie Brecht schließlich verlassen hat. Daraus entsteht ein zeitloses Bild über die unmögliche Liebe und über Entscheidungen, die ein Leben prägen.
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